So
Mai 22
Wo bewahren Sie Ihre Andenken auf? Jene kleinen Gegenstände oder Erinnerungen an etwas, an einen Moment, einen geliebten Menschen. Hier eine Blume zwischen zwei Buchseiten gedrückt, blasser geworden aber immer noch da. Gepflückt in einem Glücksmoment, bewahrt zum Andenken. Dort ein Wort, immer wieder und wieder gesprochen, leiser geworden und doch erinnert. Gesagt in einem Glücksmoment, bewahrt zum Andenken. Über den Abschied hinaus. Wie lange?
„Noch denket das mir wohl und wie“, sagt Hölderin in seinem berühmten, allzu geheimnisvollen Gedicht „Andenken“. Und er erinnert sich an Licht und Zeit, an Gärten, and und Menschen, an Frauen und Freunde. „Nicht ist es gut, | Seellos von sterblichen | Gedanken zu sein. | Doch gut | Ist ein Gespräch und zu sagen | Des Herzens Meinung, zu hören viel | Von Tagen der Lieb, | Und Taten, welche geschehen.“
Nach Mahlers Tod bleibt Alma alleine zurück in ihrer Wiener Wohnung und ordnet die Erinnerungen an das gemeinsame Leben. „Ich habe eben in der eisernen Kassette Gustav Mahlers Abschied an mich gefunden. Es sind die Skizzen zur 10. Symphonie. Wie eine Manifestierung muten sie mich an, diese ungeheuren Liebesworte aus dem Jenseits.“ Was sie findet, sind fast 2000 Takte Musik, fünf Sätze als Particell und manches schon instrumentiert. Unfertig alles, aber voller Anmerkungen. Worte wie diese am Rande des Notenblatts: „Wahnsinn faßt mich an, Verfluchten! Vernichte mich, daß ich vergesse, daß ich bin!“ Der Wahnsinn, das war die persönliche Situation der Eheleute Mahler. Herzkrank er, verliebt in sie. „Für dich leben! Für dich sterben!", schreibt er über die letzten Noten der Sinfonie, die sie nach seinem Tod findet. Holzbläser fahren dazu jäh auf. Als Mahler das schreibt und an sie denkt, liebt Alma Walter Gropius.
Am 18. Mai 1911 stirbt Mahler. Am Tag von Gropius‘ 28. Geburtstag. Alma ist 32. Einige Jahr nach Mahlers Tod heiraten Alma Mahler und Walter Gropius. 1916 wird die Tochter Manon Gropius geboren. Und als sie, ein bildschönes Mädchen - eine „Engelsgazelle, nicht von der Arche, sondern vom Himmel“, wie Elias Canetti sie beschreibt - mit nur 18 Jahren am den Folgen einer Polio-Infektion stirbt, schreibt Alban Berg gerade ein Violinkonzert. Als er von Manons Tod erfährt, komponiert er ihr einen Andenkenschrein und schreibt an Manons Mutter: „Eines Tages mag Dir aus einer Partitur, die ‚dem Andenken eines Engels‘ geweiht sein wird, das erklingen, was ich fühle und wofür ich heute keinen Ausdruck finde.“
„Was bleibet aber, stiften die Dichter“ sagt Hölderin. Oder eben die Musik.
Sommerkonzert
Sommerkonzert Mit den Münchner Symphonikern Thema: Andenken